Artikelsammlung Wurzen: Feuer während Wurzener Kundgebung – es war Brandstiftung
Augenzeugen hatten es bereits vermutet, nun ist sich auch die Polizei sicher: Das Feuer in einem Wohnhaus am Wurzener Markt am Rande einer Kundgebung wurde durch Brandstiftung entfacht.
Aus der Vermutung ist Gewissheit geworden. Die Ursache für das Feuer im oberen Stockwerk von Markt 14 in Wurzen steht fest. Demnach handelte es sich um Brandstiftung. Das sagte Josephin Sader von der Polizeidirektion Leipzig auf LVZ-Anfrage.
Nähere Informationen würden aus ermittlungstaktischen Gründen vorerst nicht herausgegeben, so die Sprecherin. Wie berichtet, war der Brandursachenermittler am Montag vor Ort, um verwertbare Spuren zu sichern.
Ein Balkon auf der Rückseite des Hauses hatte am Sonntag Feuer gefangen, während nebenan auf dem Markt eine Kundgebung für Demokratie und Toleranz stattfand. Augenzeugen berichteten von einer Rakete und einem Knall. Ein Anwohner hatte zwei auffällige junge Männer in einem der benachbarten Hinterhöfe beobachtet.
Das Feuer hatte sich auf das Innere der Wohnung ausgebreitet. Der Mietbereich gilt als unbewohnbar. Derzeit läuft eine Spendenaktion für den betroffenen Mieter, einen in der Stadt bekannten Sportler.
An der Kundgebung, die wegen des Brandes vorzeitig beendet wurde, hatten sich etwa 400 Menschen beteiligt. Auch eine Gegendemo mit rund 40 Personen war im Gange. Ein Großaufgebot der Polizei trennte die Lager.
Haig Latchinian 05.03.2024
Wohnungsbrand während Wurzener Demo: Kripo sichert Spuren
Erst kam die Feuerwehr, dann die Kripo. Der Brand in einem Wurzener Wohnhaus am Rande einer Demo am Sonntag auf dem Markt beschäftigt jetzt die Ermittler. Auch hinsichtlich fraglicher Zusammenhänge.
Die am Sonntag bei einem Brand schwer beschädigte Wurzener Wohnung ist von der Kripo eingehend untersucht worden. Der Brandursachenermittler war vor Ort und hat mögliche verwertbare Spuren gesichert. Darüber informierte am Dienstag die Polizeidirektion Leipzig auf LVZ-Anfrage. Laut Sprecherin Susanne Lübcke hatten sich die Spezialisten bereits am Montag ein genaues Bild vom Zustand der Brandwohnung gemacht.
Polizei: Ursache des Brandes in Wurzen ist weiter unklar
Wie berichtet, war am Sonntag gegen 16.20 Uhr im obersten Stockwerk von Markt 14 ein Feuer ausgebrochen, während daneben zeitgleich eine Kundgebung stattfand. Die Demonstration wurde daraufhin abgebrochen. Warum der Balkon auf der Rückseite des Hauses Feuer gefangen hat, ist laut Polizei weiter unklar. Augenzeugen berichteten im Gespräch mit der LVZ von einer Silvester-Rakete und einem Knall. Ein Anwohner hatte zuvor zwei auffällige junge Männer in einem der angrenzenden Hinterhöfe beobachtet.
Noch am Montag verlautete aus Polizeikreisen, das Fachkommissariat der Kripo habe den Fall übernommen. Der Einsatz eines Brandursachenermittlers würde geprüft. Diesen Einsatz habe es nun zwar gegeben, es sei aber zu früh, Aussagen zur Brandursache zu treffen, sagte die Polizeisprecherin. Das Feuer hatte sich auf die Innenräume der Wohnung ausgebreitet. Der Mietbereich gilt als unbewohnbar.
Ermittler prüfen Zusammenhang mit Demonstrationen
An der Kundgebung für Demokratie und Toleranz am Sonntagnachmittag auf dem Wurzener Markt beteiligten sich etwa 400 Menschen. Auch eine Gegendemo mit rund 40 Personen war angemeldet. Ein Großaufgebot der Polizei trennte die Lager. Die Ermittler müssen nun unter anderem prüfen, ob das Feuer womöglich in Zusammenhang mit den beiden Veranstaltungen stand. Verletzt hatte sich am Sonntag niemand.
Das Verfahren sei bei der Staatsanwaltschaft Leipzig noch nicht anhängig. Deshalb könne sie zu dem Sachverhalt derzeit nichts sagen, teilte die Sprecherin der Anklagebehörde, Vanessa Fink, auf LVZ-Anfrage mit.
Haig Latchinian 04.03.2024
Brandausbruch während Wurzener Demo wirft Fragen auf
Ein Knall, ein Feuer, gleich neben 400 Demonstrierenden auf dem Markt: Die Ereignisse vom Sonntag beschäftigen die Menschen in Wurzen. Augenzeugen sprechen von Fremdeinwirkung, laut Polizei steht die Ursache jedoch noch nicht fest.
Rund 400 Menschen auf dem Wurzener Markt – plötzlich dringen ein ohrenbetäubender Knall und schwarzer Qualm aus einem der anliegenden Häuser. Das Feuer im obersten Stockwerk vom Markt 14 ist auch am Tag danach Stadtgespräch in Wurzen.
Wie berichtet, war am Sonntagnachmittag auf der Rückseite des Mehrfamilienhauses ein Brand ausgebrochen, während nebenan eine große Kundgebung für Demokratie und Toleranz stattfand. Auch eine Gegendemo mit rund 40 Teilnehmern war bis kurz vor Brandausbruch im Gange. In Wurzen wird nun wild spekuliert: Gibt es womöglich einen Zusammenhang zwischen den Veranstaltungen und den Flammen?
Polizei ermittelt in alle Richtungen
Nach LVZ-Recherchen ist das zwar nicht auszuschließen, aber auch eine sehr gewagte These. Die LVZ hat mit zahlreichen Augenzeugen gesprochen, die sich am Sonntag zum Zeitpunkt der Detonation im Umfeld des betroffenen Hauses befanden. Die Antworten legen zumindest die Vermutung nahe, dass der Brand durch Fremdeinwirkung entfacht wurde.
Genau wie Oberbürgermeister Marcel Buchta (parteilos) will auch Josephin Sader von der Polizeidirektion Leipzig über mögliche Ursachen nicht spekulieren. Für valide Aussagen sei es derzeit noch viel zu früh. Was sie aber sagen könne: „Gegen 16.20 Uhr geriet der Balkon der besagten Wohnung in Vollbrand. Die Flammen griffen auf das Innere und das Dach über.“ Das Wichtigste: Kein Mieter ist zu Schaden gekommen, alle Bewohner des Hauses konnten das Gebäude rechtzeitig verlassen.
Die Höhe des Sachschadens könne gegenwärtig noch nicht beziffert werden, ergänzt die Polizeisprecherin. Die betroffene Wohnung sowie der Mietbereich darunter seien derzeit nicht bewohnbar. Das Fachkommissariat der Kripo habe den Fall übernommen und prüfe den Einsatz eines Brandursachenermittlers.
Fakt ist: Die Kameraden der Feuerwehren konnten schnell Schlimmeres verhindern. „Wir waren fünf Minuten nach Alarmierung vor Ort“, schildert Thilo Bergt, Wurzens Brandschutzbeauftragter und Mitglied der örtlichen Feuerwehr. Mit über 50 Kameraden aus Wurzen, Nemt, Burkartshain, Kühren, Sachsendorf und Nitzschka gelang es Einsatzleiter Jürgen Jahn, das Feuer innerhalb einer Stunde zu löschen.
Löscheinsatz ist für Feuerwehr herausfordernd
Dabei gestaltete sich der Einsatz mitten in der verwinkelten Altstadt als schwierig: „Wir hatten die Drehleiter auf der Rückseite des Hauses postiert und sie auch ausgefahren“, erläutert Feuerwehrmann Bergt. „Allerdings war auf diese Art und Weise kein Rankommen an das Grundstück. Weil wir gleichzeitig aber den Innenangriff gestartet hatten, verloren wir keine Zeit.“
Bergt lobt ausdrücklich die Kooperationsbereitschaft der Kundgebungsteilnehmer. Anmelder Thomas Keller (Grüne) hatte die Veranstaltung sofort abgebrochen und die Demonstranten aufgefordert, auf die andere Marktseite auszuweichen. Dadurch hatte die Feuerwehr von Anfang an genug Platz, um die Schläuche auszurollen.
Doch wie kam es nun zu dem Brand? Einer, der als Augenzeuge vor Ort war, ist Olaf Krause. Er stand nicht direkt auf dem Marktplatz, sondern etwas abseits vor der Stadtbibliothek: „Ich hörte einen lauten Knall, eine regelrechte Detonation. Zwei, drei Minuten später stieg schwarzer Rauch auf.“
Olaf Krause konnte das Geschehen gut beobachten, da er einen seitlichen Blick auf das betreffende Haus hatte. Ein der LVZ namentlich bekannter Jugendlicher in seiner Nähe hat zudem ein Pfeifen und Zischen, „wie bei einer Rakete“, gehört. Außerdem will er eine aufsteigende weiße Kugel mit Schweif gesehen haben.
Rentner hat verdächtige Männer gesehen
Es gibt weitere Augenzeugen. Anwohner Horst Kilsch etwa. Der Rentner gilt als heimlicher Wächter der Johannisgasse, die sich hinter dem betroffenen Mehrfamilienhaus befindet. Nichts, was ihm entgehen könnte. So auch diesmal? „Ja, ich habe Beobachtungen gemacht“, sagt er und führt in den Dschungel aus Scheunen, Garagen und Toren hinter dem Brandhaus.
„Von meinem Fenster aus habe ich – kurz bevor das Feuer ausbrach – zwei junge Männer gesehen, Anfang beziehungsweise Mitte 20.“ Sie seien mit Rädern in eine Schlippe gefahren und hätten mit Steinen geworfen. Unklar, worauf genau sie zielten. Beide hätten Glatze beziehungsweise sehr kurze Haare gehabt, sagt Kilsch. „Einen von beiden konnte ich von meiner Küche aus weiter sehen, während der andere für einen Moment aus meinem Blickfeld verschwunden war. Plötzlich gab es diesen Knall, und die beiden Jungs ergriffen die Flucht.“
Ob die jungen Männer womöglich mit Pyrotechnik den Brand auslösten oder nur zufällig zur fraglichen Zeit hinterm Haus waren, ist nicht geklärt und nun Gegenstand der polizeilichen Ermittlungen. Horst Kilsch hat seine Beobachtungen der Polizei zu Protokoll gegeben.
Das flaue Gefühl bleibt – bei allen
Der Inhaber der Brandwohnung, der sich am Sonntagabend in einer Gruppe vor dem Haus befand, wollte sich auf LVZ-Nachfrage nicht zum möglichen Hergang des Brandes äußern.
Bei so manchem Teilnehmer der Kundgebung am Sonntag bleibt nun im Nachhinein ein flaues Gefühl. Die Grimmaer Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz, die selbst vor Ort war, zählt dazu. Sie will sich gar nicht vorstellen, was hätte passieren können, wenn es sich bei dem Brandauslöser tatsächlich um eine Rakete gehandelt hat – und diese in der Menschmenge auf dem Marktplatz detoniert wäre.
Haig Latchinian und Roger Dietze 03.03.2024
Bunte Demokratie-Kundgebung, rechte Gegendemo und ein Feuerwehreinsatz
Etwa 400 Menschen sind am Sonntagnachmittag in Wurzen für Demokratie und Toleranz auf die Straße gegangen. Als Protest gab es einen Aufzug gegen „linke Hetze“. Ein Großaufgebot der Polizei trennte die Lager. Doch dann ist die Feuerwehr angerückt.
Einen ungewöhnlich schnellen Schluss hat die Kundgebung gegen rechts auf dem Wurzener Marktplatz gefunden. Gegen 16.30 Uhr ist sie vorzeitig abgebrochen worden. Die Kührener Pfarrerin Elisabeth Fichtner konnte gerade noch ihr Bibelwort zu Ende bringen: „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.“ Die Teilnehmer hatten einen Knall aus dem oberen Stockwerk eines Gebäudes am Platz gehört. Daraufhin heulten die Sirenen, dann trafen die Feuerwehrleute ein.
Zuvor hatte Wurzen Polizisten in Schutzwesten, einen Notarztwagen, dazu eine Gegendemo gesehen: Es gibt gewiss Orte, an denen man einen Yoga-Lehrer eher vermutet. Und doch war Michael Voigt am frühen Nachmittag in die Stadt gekommen: „Wir alle atmen die gleiche Luft. Uns allen scheint dieselbe Sonne.“ Er beschwor die Liebe, die Großes bewirken und heilen könne.
Der Yoga-Lehrer war einer von 400 bunten Kundgebungsteilnehmern. Unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt – Demokratie und Toleranz im Wurzener Land“ ergriff Martina Glass vom Netzwerk für Demokratische Kultur das Wort. „Nie wieder soll es Menschen gelingen, an die Macht zu kommen, die dieses ,Nie wieder‘ mit Füßen treten.“ Zwischen 2013 und 2022 habe es im Landkreis Leipzig mehr als 200 politisch rechts motivierte Gewalttaten gegeben, sagte sie.
Gymnasiallehrerin Heike Krause wünscht sich ein weltoffenes Wurzen: „Das erlebe ich gerade nicht“, betonte die Wurzenerin. Sie selbst betreute zwischen 2016 und 2019 Flüchtlinge aus Eritrea, die permanent angegriffen worden seien. Bei ihrer Arbeit heute nehme sie eine zunehmende Gleichgültigkeit und die Übernahme populistischer Äußerungen wahr.
Kirche beteiligt sich an Kundgebung für Toleranz
Der öffentliche Sonntag in Wurzen hatte mit dem Gottesdienst im Dom begonnen. Pfarrer Alexander Wieckowski bezeichnete Judenhass und Rassismus als Verbrechen. In seiner Predigt ermutigte er die Gläubigen, mit allen im Gespräch zu bleiben und Brücken zu bauen. Das Niederbrüllen helfe nicht weiter. Ausdrücklich lud er zur Kundgebung am Nachmittag ein.
„Und das auch, wenn Euch nicht jede Äußerung gefällt“, sagte der Pfarrer. Gabriele Pohl folgte dem Ruf des Pfarrers. Sie sei 1989 dabei gewesen, als in Wurzen die Demokratie erkämpft wurde, sagte die Seniorin. Vera vom Verein Rosa Linde appellierte zur Solidarität mit queeren Flüchtlingen. Sie bedauerte, dass ihr Bildungsprojekt in Schulen nicht weiter gefördert werde.
Rechte Demo versucht die Kundgebung zu stören
Auf Höhe des Alten Rathauses passierte der von der Polizei abgeschirmte Gegenprotest kurzzeitig den Markt: 40 Demonstranten, darunter auch Junge Nationalisten mit ihren Fahnen, hatten ein Transparent dabei: „Die spinnen, die Linken“. – „Nazis raus“, schallte es immer wieder aus Richtung Markt. Toleranz wurde auf Englisch, Portugiesisch und Russisch eingefordert.
Katrin Saborowski war mit ihren „Omas gegen rechts“ aus Leipzig angereist. Sie bedankte sich ausdrücklich bei der Polizei, die die Abordnung sowohl in der S-Bahn als auch auf dem Weg zum Markt begleitete. Dort begeisterte eine Band der Wurzener Pfadfinder mit flottem Irish Folk: „Wir sind eine Band nur für diesen einen Tag“, sagte Stefan Winkelmann.
Viola Heß, Vorsitzende des Ringelnatzvereins, erinnerte an den in Wurzen geborenen eigenwilligen Künstler, der unter den Nazis verboten gewesen war, dessen Andenken in Wurzen aber bis heute bewahrt werde. Er habe über alles gespottet, sagte Heß, auch über Politik und Polizei, über Geld und Kapitalismus und habe gewusst: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass mir der Kragen platzt.“ Als ein rechter Youtuber filmen wollte, rief die Menge ironisch: „Lügenpresse“.
Wurzener OBM kann seine Rede nicht halten
Unter dem Beifall der Kundgebungsteilnehmer verkündete das junge FDP-Mitglied Jonas Siegert, dass „Grimma zeigt Kante“ am Wochenende eine eigene Liste für die Grimmaer Stadtratswahl aufgestellt habe. Er selbst sei Spitzenkandidat, so Siegert. Wurzens Oberbürgermeister Marcel Buchta (parteilos) beendete seinen Urlaub extra, um in Wurzen zu sprechen. Doch er kam nicht mehr dazu.
Der laute Knall in einem der Markthäuser sorgte für das jähe Ende der Kundgebung. Thilo Bergt von der Feuerwehr: „Auf der Rückseite des Gebäudes war sowohl im Innern als auch auf dem Balkon ein Brand ausgebrochen. Nach etwa einer Stunde war alles gelöscht.“ Zu der Zeit waren die meisten Teilnehmer längst auf dem Heimweg.
Haig Latchinian 27.02.2024
Demokratie-Bündnis ruft in Wurzen zur Kundgebung auf – auch Gegendemo angemeldet
Nachdem in Borna und Grimma bereits Hunderte gegen Fremdenfeindlichkeit auf die Straße gingen, folgt nun Wurzen. Rund 500 Menschen werden am Sonntag erwartet. Aber auch eine Gegendemo ist angemeldet.
Anmelder von Demonstrationen halten sich gewöhnlich im Hintergrund. Anders in Wurzen. Für die am Sonntag, 15 Uhr, auf dem Marktplatz geplante Kundgebung „Nie wieder ist jetzt! Demokratie und Toleranz im Wurzener Land“ zeigt Anmelder Thomas Keller (42) offen Gesicht.
„Sollten mich meine Kinder mal fragen, was ich gegen den Einzug von Nazis in die Parlamente getan habe, will ich nicht nach Ausflüchten suchen müssen“, begründet der Familienvater. Überhaupt sei die Zukunft von Tochter und Sohn der Hauptgrund für sein politisches Engagement.
Ähnlich wie in Grimma, als zuletzt 750 Menschen gegen rechts demonstrierten, erwartet Keller auch in Wurzen viele Eltern mit Kindern. Deshalb radelte er von Haustür zu Haustür und verteilte 800 Flyer. Die Frage, warum Wurzen so spät komme, begründet er mit den zweiwöchigen Winterferien.
Keller gilt bislang als eher unbeschriebenes Blatt. Dabei ist der freiberufliche Softwareentwickler seit Ende 2022 Mitglied im Kreisvorstand der Grünen, strebt einen Sitz sowohl in Stadtrat als auch Kreistag an und wurde von seiner Partei als Direktkandidat für die Landtagswahl nominiert.
Breites Bündnis unterstützt den Aufruf
„Bei Umfragen in Sachsen sind die Rechtspopulisten vorn – es ist fünf vor zwölf“, warnt Keller. Nicht als Parteipolitiker, sondern als Wurzener Bürger habe er die Kundgebung angemeldet, betont er und verweist auf ein Bündnis von Initiativen, Vereinen und Einzelpersonen, die den Aufruf unterstützten.
Er begrüße ein solches Zeichen für Demokratie und Toleranz, sagt Wurzens Oberbürgermeister Marcel Buchta (parteilos). Er selbst sei am Wochenende im Urlaub und könne nicht persönlich an der Kundgebung teilnehmen: „Ich verfasse aber ein Grußwort, das verlesen wird.“
Die Region sei bunt, unterstreicht Buchta und erinnert an das Projekt „Weltoffenes Wurzener Land“. Etliche Initiativen seien dadurch ermöglicht worden – vom internationalen Jugendfußballturnier bis zur Recherche des Schicksals polnischer Zwangsarbeiter, aber auch das Insektenhotel und die Dorfchronik.
Demokratiepreis für Mark Schönstädter
Es gehe darum, niemanden wegen seiner Meinung in die Ecke zu stellen. „Vielmehr wollen wir im alltäglichen Miteinander für gegenseitigen Respekt werben“, so Buchta. Daher hätten sich Wurzen, Bennewitz, Thallwitz und Lossatal für eine Verlängerung des Projekts ausgesprochen.
Jede der vier Kommunen des Wurzener Landes gibt in diesem Jahr pro Einwohner jeweils einen Euro in den Topf, um Ideen der Vereine zu unterstützen. Er stehe dazu, sagt der Lossataler Bürgermeister Uwe Weigelt (SPD): „Wir wollen ein vielfältiges gesellschaftliches Leben.“
Als Beispiel nannte er den Zusammenhalt im Miniort Mark Schönstädt, der über 50 Schutzsuchende aufgenommen hatte. „Die Integration ist so gut gelungen, dass es dafür einen Demokratiepreis gab“, sagt Weigelt. Er wünscht der Kundgebung einen friedlichen Verlauf.
Nach LVZ-Recherchen wird für Sonntag auch zu einer Gegendemo mobilisiert. Brigitte Laux, Sprecherin des Landratsamtes, bestätigt das: Eine Privatperson habe von 14 bis 18 Uhr den Aufzug „Gegen linke Hetze – für ein freies Wurzen“ angemeldet. Die Route sei noch in der Abstimmung.
Während die Versammlungsbehörde auf dem Markt von etwa 500 Teilnehmern ausgeht, erwarte die Gegenseite rund 40 Personen, teilt Laux mit. Die Polizei werde beide angezeigten Veranstaltungen absichern, kündigt Sprecherin Josephin Sader in Leipzig an.
„Für ein gelingendes Miteinander im Gespräch bleiben“
Welche Route die Gegendemonstranten nehmen und ob sie den Markt passieren, sei derzeit offen: „Die Kooperationsgespräche sind noch nicht abgeschlossen“, sagt die Polizeisprecherin. In jedem Fall seien die Beamten mit eigenen und unterstellten Kräften im Einsatz.
Elisabeth Fichtner, Pfarrerin in Kühren, unterstützt den Aufruf für Demokratie: „Ich stehe in der Verantwortung, mein Tun an Jesus Christus zu orientieren. Dazu gehört, nicht wegzuschauen, die Schwachen im Blick zu behalten und für ein gelingendes Miteinander im Gespräch zu bleiben.“
Auf der Demo „Nie wieder ist jetzt!“ wird die Pfarrerin sprechen. Es werde mehrere Wortbeiträge geben, sagt Anmelder Thomas Keller. Er wohnt seit 2017 im Wurzener Land. Übrigens: Seine erste Demo hatte er 2007 angemeldet. Damals ging er in Leipzig gegen die Vorratsdatenspeicherung auf die Straße.
Juliane Staretzek 23.02.2024
Demo gegen rechts in Wurzen: Jugend-Politiker halten das für unnötig
In Grimma und Borna gingen Hunderte gegen Fremdenfeindlichkeit auf die Straße. Nun folgt am 3. März Wurzen. Vertreter des örtlichen Jugendparlamentes werden dort aber nicht auftreten. Aus gutem Grund.
Landauf, landab gingen in den vergangenen Wochen Menschen gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auf die Straße. Auch in Borna und Grimma waren bereits Hunderte auf den Beinen. In Wurzen ist nun für den 3. März eine Demo geplant. Das Jugendparlament Wurzener Land will dort allerdings ganz bewusst nicht das Wort ergreifen. „Es gibt aus unserer Sicht bessere Wege in Wurzen als ne Demo“, schreiben die Nachwuchspolitiker auf Instagram. Yannick Anders und Lena Wagner, zwei von ihnen, nenen im LVZ-Interview Gründe.
Auf Instagram habt ihr euch als Jugendparlament Wurzener Land gegen eine Demo gegen rechts ausgesprochen – warum?
Yannick: Wir haben uns nicht gegen eine Demo ausgesprochen. Sondern wir als Gremium möchten nicht auf der Demo sprechen. Grund dafür ist die Polarisierung. Schade ist zudem auch, dass die Stadtverwaltung nicht in die Planung dieser Demo mit einbezogen wurde.
Lena: Gerade mit der Vergangenheit, die Wurzen hat, und der aktuellen Situation sind wir nicht der Meinung, dass die Demo den Zusammenhalt bringt, den es braucht. Privat werde ich am 3. März zu der Demo gehen.
Yannick: Ich auch. Letztendlich war es auch eine Abstimmung. Wir haben miteinander gesprochen und zusammen die Entscheidung getroffen.
So viele Menschen gehen zusammen auf die Straße und zeigen Gesicht. Warum ist das der falsche Weg für Wurzen?
Yannick: Ich habe das im Post etwas missverständlich dargestellt. Demos gegen Rassismus sind richtig und können auch ein Zeichen setzen. Das sagen wir auch in dem Post. Wir sind froh darüber, dass sich Menschen gegen Rassismus aussprechen. Es bringt Wurzen keinen Mehrwert, wenn wir jetzt auch eine Demo haben. In Borna gab es eine Demo, in Grimma gab es eine Demo – wo ist jetzt Wurzen? Ich hab das Gefühl, das ist der einzige Grund für die Demo. Aber wo ist der Mehrwert für Wurzen? Stattdessen sprechen wir uns lieber für praktischere Dinge aus.
Was sollte man eurer Meinung nach statt einer Demo machen?
Lena: Vor allem sollte es darum gehen, dass jemand mit Migrationserfahrung oder jemand, der keine weiße Hautfarbe hat, sich nicht eingeschränkt in seinem Alltag fühlt. Wir sind auch am Überlegen, wie man das umsetzen kann.
Yannick: Wichtig sind positive Aktionen, die zeigen, dass Wurzen offen ist für Menschen verschiedener Herkunft. In den letzten Jahren gab es ein interkulturelles Frühlingsfest. Solche Veranstaltungen setzen ein Zeichen.
Wie sieht Beteiligung bei euch aus?
Lena: Wir stellen eigene Events auf die Beine, wie eine Müllsammelaktion. Als Nächstes werden wir eine Blühwiese in Bennewitz angehen. Dann auch mit einem Schild, das erklärt, warum diese Wiese wichtig ist. Sonst denken die Leute noch, da mäht einfach jemand nicht.
Yannick: Aber auch beim Thema Skatepark sind wir mit dabei. Wir hatten keinen Einfluss darauf, wo der Park nun hinkommt, können aber dann mit auswählen, welche Elemente es konkret geben soll. Dazu gehört aber auch, immer nachzufragen. Es dauert lang bis etwas passiert, wichtig ist aber, dass man das Thema immer wieder auf die Tagesordnung holt.
Ist das nicht auch manchmal frustrierend?
Yannick: Natürlich. Ich würde mir auch wünschen, dass wir zu verschiedenen Themen einfach mehr gefragt werden. Aber das ist etwas, das viel mehr Menschen wissen müssen: Bis etwas passiert, braucht es einfach auch Zeit, da eine Verwaltung verschiedene Schritte gehen muss. Die meisten bekommen davon erst mit, wenn es im Amtsblatt steht, vom Prozess selbst aber wenig.
Was ist denn die Alternative zum ?
Lena: Dass, was Marcel Buchta auf Instagram macht, ist zum Beispiel eine Möglichkeit. Wir planen gerade einen Podcast. Denn sind wir ehrlich, an die Jugend kommt man nicht mal mit einem Zeitungsartikel ran. Podcast ist dabei schon eher ein Format, das für uns Sinn ergibt.
Yannick: Um die Leute mehr mitzunehmen, braucht es eine sichtbarere Transparenz. Im Podcast wollen wir dann auch über die kommenden Wahlen sprechen, uns die Programme anschauen und vielleicht auch aufdecken, was einzelne Parteien mit ihren Forderungen meinen. Aber auch auf Instagram sprechen wir über unsere Arbeit und versuchen auch so, neue Mitglieder zu gewinnen.
Wie bekommt man denn junge Leute dazu, sich zu engagieren?
Yannick: Es kann über Themen gelingen. Beispielsweise der Skatepark hat jemanden so sehr beschäftigt, dass er nun Teil von uns ist. Themen, die Jugendliche im Wurzener Land bewegen, sind zum Beispiel der Busverkehr, aber auch Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen.
Lena: Das ist schwierig und auch unsere stetige Herausforderung. Wir würden uns sehr über junge Leute aus Thallwitz und dem Lossatal freuen, da wir gerade sehr stark in Wurzen und Bennewitz vertreten sind. Dadurch fehlt es uns auch an Themen, die dort wichtig sind.
Wie steht es eurer Meinung nach um Wurzen, wenn ihr auf eure Generation schaut: Gibt es ein Problem mit Rechtsextremismus?
Yannick: Ich habe das Gefühl, in den letzten paar Jahren ist es wieder schlimmer geworden. Es gibt mehr junge Leute, die sich schon sehr früh nach rechts orientieren.
Lena: Schau ich mich in meinem Jahrgang um, fallen mir auf Anhieb zehn Leute ein. Es ist jedoch nicht so, dass ich glaube, dass die jemandem etwas tun würden. Viel mehr sind sie Mitläufer. Die Sticker und Klamotten tragen und sich damit cool fühlen.